Filmreise ins Land der aufgehenden Sonne - Die Weltpremiere in Cannes, im August 2010 in den Kinos, jetzt schon bei uns im Verleih auf DVD und Blu-ray: eine Geschichte vor der schillernden Neon-Kulisse Tokios
Eine Karte der Klänge von Tokio - mit diesem Projekt hat sich die spanische Regisseurin Isabel Coixet vorgenommen, eine Geschichte über eine Frau zu erzählen, die in der japanischen Hauptstadt des Nächtens auf einem Fischmarkt arbeitet und gelegentlich Aufträge als Profikillerin annimmt.
Von der Idee…
Die Anregung bekam die Filmemacherin Coixet, die am 9. April 1960 in der katalanischen Stadt Sant Adrià de Besòs im Großraum Barcelona geboren wurde, als sie für ihren 2005 entstandenen Film Das geheime Leben der Worte persönlich nach Tokio reiste, um ihn dort vorzustellen. Bei einem Gang durch die schillernde Kulisse der Stadt sei sie beim Fotografieren auf einem Markt angekommen, auf dem Tsukiji Fischmarkt, wo ein Mädchen Fische reinigte. Einem Foto willigte die Japanerin nicht ein, das Bild jedoch ging Coixet seitdem nicht aus dem Kopf. Isabel Coixet (siehe rechts): "Ich fing an, mir in meiner Fantasie eine Geschichte über dieses Mädchen auszumalen. Ich dachte an ihre Gummistiefel zwischen dem geschmolzenen Eis und dem Blut von frisch geschlachtetem Thunfisch. Auf einmal wurde mir klar, dass ich diese Geschichte erzählen wollte."
…zum Kinofilm
Die Weltpremiere des mit einem Budget von etwa 8 Millionen Dollar realisierten Films fand im Mai 2009 im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes statt, ganz in der Tradition des bisherigen Schaffens von Isabel Coixet, die sich in ihren vielfach ausgezeichneten Filmen Mein Leben ohne mich (2003 mit Sarah Polley), Das geheime Leben der Worte (2005 mit Tim Robbins) und zuletzt der Philip-Roth-Verfilmung Elegy oder die Kunst zu lieben (2008 mit Penélope Cruz) als so genaue, wie sensible Beobachterin menschlicher Gefühlswelten gezeigt hatte.
Entstanden ist eine dramatische Geschichte über widersprüchliche Leidenschaften und die Abgründe menschlicher Gefühle, über die tiefe Einsamkeit der Großstadtmenschen, den Abschied von geliebten Menschen, über die Möglichkeiten des Trosts und über eben diese Fischverkäuferin aus Tokio: Ryu (Rinko Kikuchi), eine Einzelgängerin, deren zerbrechlich-schöne Erscheinung im krassen Gegensatz zu ihrem Doppelleben steht.
Zwei ungewöhnliche, spannende internationale Stars stehen im Zentrum der außergewöhnlichen Liebesgeschichte: Der vor allem in Frankreich arbeitende Spanier Sergi López (2009: Die Affäre, 2006: Pans Labyrinth), und Rinko Kikuchi, die seit ihrer Oscar-Nominierung für Alejandro González IñárritusBabel (2006) zum internationalen Shooting-Star wurde. Im August 2010 kam Eine Karte der Klänge von Tokio in die deutschen Kinos und noch vor dem Jahresende können wir Ihnen dieses Werk sowohl auf DVD und sogar wahlweise auf Blu-ray im Verleih präsentieren!
Daneben wird die schillernde Neon-Metropole Tokio selbst zum Hauptdarsteller. Coixet entfaltet eine Filmwelt der Andeutungen und Zeichen, über das geheime Leben der Klänge und Bilder in der Tradition der musikalischen, assoziativen, verführerischen Erzählweise von Wong Kar-Wai (2000: In the Mood for Love, 1995: Fallen Angels).
Eine Karte der Filme von Tokio
Tokio ist ein Ort voller Rätsel. Und voll imaginärer Kraft. Japan und seine Hauptstadt sind ein "Reich der Zeichen". Auf seinen Spuren bewegt sich Isabel Coixet wie seit langem schon viele Filmemacher des Westens. Dass man sich im Westen für Asien interessiert, ist nichts Neues. Doch lange Zeit blieb solches Interesse vor allem äußerlich: Japan wurde primär als etwas sehr Fremdes, sehr Anderes angesehen, eine unverständliche, irgendwie auch unheimliche Region, die ein wenig zurückgeblieben schien, und im Zweifel auch ziemlich bedrohlich. Auch im Kino blieb es lange dabei.
Noch Ende der 80er Jahre sorgte Black Rain von Ridley Scott für Furore. Michael Douglas als US-Polizist taumelt durch ein dunkles undurchschaubares Tokio. Manche warfen dem Film Rassismus in der Darstellung der Japaner vor. Doch Black Rain (1989) - der Titel bezieht sich auf den Ascheregen nach dem Atombombenabwurf von Hiroshima - ist doppelbödig: Bei der Douglas-Figur handelt es sich um einen frustrierten Zyniker, einen "schlechten Polizisten", der durch die Begegnung mit einem japanischen Kollegen wieder Selbstachtung bekommt und ein "guter Polizist" wird.
Nebenbei führt diese Lektion in japanischer Lebensart auch zu einem besseren Verständnis für Japan und seine Menschen. Doch in solchen Filmen, selbst dem von Liebe und Neugier zu Japan erfüllten "Mishima - Ein Leben in vier Kapiteln" von Paul Schrader (1985, leider in Deutschland noch nicht auf DVD erschienen) und Wim Wenders' Dokumentation Tokyo-Ga (1985) bleibt Japan immer noch "das Andere", der ehemalige Feind. Japan fungiert hier als disziplinierter und spiritueller Gegenpol zu einem chaotischen Amerika, als die von Tradition, Hierarchien und aristokratischen Werten geprägte Alternative zu einer demokratischen, von Zufall und Ironie dominierten Moderne.
Das änderte sich mit Matrix, der 1999 deutlich von japanischer Animation inspiriert war und vor allem mit Quentin Tarantino, der sich ganz offensichtlich ins japanische Kino verliebt hatte. 2003 kam Kill Bill - Volume 1 ins Kino, und entfaltete ein lustvolles Bilder-Zauberreich, das aus den Posen und Zeichen, Tagträumen und Stilen des japanischen Kinos zusammengesetzt war. Es folgte Babel von Alejandro González Iñárritu, wo Tokio einen Eckpunkt bildet in einem dichten Netz aus Beziehungen, das die ganze Erde umspannt und die Moderne zusammenhält.
Dann kam Lost in Translation - in diesem Zusammenhang ein Meilenstein. Das gefeierte zweite Werk von Sofia Coppola, der Tochter des großen New-Hollywood-Heroen Francis Ford Coppola, erzählte in zarten, hochsensiblen Bildern die scheinbar abgegriffene Geschichte vom alten Mann und dem Mädchen noch einmal ganz neu und ungewöhnlich. Und die Neonglitzerstadt Tokio wurde in seiner chaotisch-undurchschaubaren und zugleich faszinierenden Gestalt zum Spiegel der inneren Desorientierung der Hauptfiguren. Wie die Figuren driftet auch Coppolas Kamera durch die Nacht, unterstützt von präzise gewählter Elektropop-Musik, die alles in Trance zu tauchen scheint. Als ob die Bilder schlafwandeln würden.
In Doris DörriesKirschblüten - Hanami (Deutschland 2008) ging es ungleich bodenständiger zu, aber ebenso voller Liebe für die japanische Kultur in all ihren Facetten. Bereits zuvor, 1999 in Erleuchtung garantiert, hatte Dörrie zwei Deutsche zur Zen-Meditation in ein japanisches Kloster geschickt. Nun entdeckt ein braver deutscher Beamter die Faszination des japanischen Lebens - sowohl in Tokio mit seinem Nachtleben und seinen Kirschblütenparks, als auch auf dem Land, am Fuße des heiligen Bergs Fujiyama.
Was die heutigen Filmemacher am zeitgenössischen Japan fasziniert, ist genau diese zufallsgeprägte, ironische, westliche Moderne, die sich im ehemaligen "Reich der aufgehenden Sonne" noch weitaus rasanter und ungebändigter zu entfalten scheint. In Japan kann man einer Freiheit begegnen, die aus Unübersichtlichkeit und Unordnung entsteht. Hinzu kommt die Kraft der japanischen Ästhetik. Vielleicht kann man heute gerade das von Japan lernen: Nach wie vor steht das Land für Hypermodernismus in jeder denkbaren Form, für das beste Industriedesign der Welt und wild-faszinierenden Stilmix.
Man kann dies ebenso in der schrillen Warenwelt von Kinderlabels wie Hello Kitty wiederfinden, wie in der phänomenal-futuristischen japanischen Architektur, in Anime-Filmen oder den märchenhaften Werken Takeshi Kitanos. Man erkennt es an japanischem Werbedesign und Kommunikationstechnik, an schrillem Nippon-Pop, den Kitsch-Universen des ganz normalen, für unsereins trotzdem unvorstellbaren Wahnsinns japanischer TV-Sender und der Neonkulisse der Großstädte. Wer - und sei es nur virtuell - nach Japan reist, fährt immer nach "Tomorrowland" (William Gibson). Denn im Osten geht die Sonne auf.
Von der Idee... zum Filme-ausleihen
"Meine Einflüsse waren immer eher literarisch als filmisch. Aber zu meinen Lieblingsfilmen zählt alles von Kore-Eda, Naomi Kawase, Arnaud Desplechin, Alexander Payne, den Coen-Brüdern. (...) Auch diese Mischung aus Popkultur und hoher Kunst ist für jemanden wie mich, mit meinem widersprüchlichen Geschmack, unwiderstehlich", meint Eine Karte der Klänge von Tokio Regisseurin Isabel Coixet.
Für Sie auch? Manchmal reicht ein Bild, um - wie auf dem Fischmarkt in Tokio - auf neue Ideen zu kommen. Wenn Ihnen die genannten Filmetitel Ideen zu einem baldigen Filmabend geliefert haben, stehen die Titel im Folgenden auf DVD - zum bequemen Ausleihen per Post - für Sie bereit! Wie wär's: zum Feierabend eine kleine Reise nach Japan?