Der "Ring des Nibelungen" geht in die zweite Runde. Die sagenhaften gestalten des "Rheingold" treffen in "Die Walküre" auf die Menschenwelt, in der ein junges Paar beim Versuch, seine Ideale zu leben, von den Schrecken der Wirklichkeit und dem Grauen des Krieges eingeholt wird. Alles steht unter andauernder Beobachtung, ein faszinierendes Augenspiel zwischen großem Psychodrama und antiker Tragödie. Siegmund und Sieglinde rühren am Tabu, Liebe sei durch Gesetz und Moral zu regeln. Richard Wagner nennt "Die Walküre" das "tragischste Werk, welches ich je konzipiert." Mit Brünnhilde betritt eine Frau, die bedingungslos ihrem Herzen und ihrem Gewissen folgt, die Bühne mit der Geschichte ihrer Brautwerdung. Eine Tochter widersetzt sich ihrem wütenden Vater, bis sich dessen Hass in verzweifelte Liebe verwandelt. "Die Walküre" ist ein Drama der Hörigkeit, wie es nie zuvor in der Geschichte der Oper geschrieben wurde. Die ersten Takte erklingen und dem Zuhörer wird eine völlig neuartige und fremde musikalische Welt eröffnet. Das große Orchester der Mailänder Scala durchwandert die gigantische Palette an Leitmotiven und inszeniert einen wilden Sturm bis sich plötzlich der Vorhang öffnet und eine vollkommen normale Szenerie erscheint, die scheinbar nichts mit den Göttern, Zwergen und Nymphen des "Rheingold" zu tun hat. Der Ring-Zyklus der Mailänder Scala von Guy Cassiers wird mit einem hervorragenden Gesangsensemble fortgesetzt: Waltraud Meier als Sieglinde, Nina Stemme als Brünnhilde und Ekaterina Gubanova als Fricka; Simon O'Neill und John Tomlinson überzeugen im Duell als Siegmund and Hunding. Daniel Barenboim präsentiert eine fantastische musikalische Darbietung dieses zweiten und inspirierenden Abends des "Ring des Nibelungen".