Ein Drama über ein an Leukämie erkranktes Mädchen lässt eigene Alltagshürden ganz schnell dahin schmelzen. Kann uns der vorliegende Film unterhalten, soll er nachdenklich machen oder gar betroffen? Ja, all das und auf jeden Zuschauer wird er ein bisschen mehr so oder so wirken - aber er wirkt.
Der Mann hinter der Kamera
Nick Cassavetes, der 1959 in New York geborene Sohne des Regie- und Schauspieler-Paares John Cassavetes und Gena Rowlands. Die Mutter übernahm in Nicks Regiedebüt Ein Licht in meinem Herzen (1996) die Hauptrolle.Das Drehbuch für den Nachfolger Alles aus Liebe (1997) schrieb der Vater, der jedoch zuvor 1989 verstarb. Uns hat Nick Cassavetes mit der Romanze Wie ein einziger Tag (2004) nach der Buchvorlage von Nicholas Sparks positiv überrascht, eine kitschige Liebesgeschichte mit einem schönen Filmpaar (Rachel McAdams und Ryan Gosling) und noch schöneren Filmbildern.

Schöne Bilder eröffnen auch Nick Cassavetes neues Werk Beim Leben meiner Schwester, mikroskopische Aufnahmen vom Anbeginn des Lebens, verschwommene Aufzeichnungen aus der Kindheit, die uns wie die anschließende Vorstellung einer glücklichen amerikanischen Familie im Eigenheit zunächst nur als Kulisse einer scheinbar heilen Welt präsentiert wird - denn die Tragödie folgt, soviel sei verraten.
Die Zeit anhalten, wenn auch nur für einen klitzekleinen Augenblick
Der Auslöser klickt, es blitzt, und sie haben die Zeit angehalten. Wenn auch nur für einen klitzekleinen Augenblick. Und wenn diese Bilder nachfolgenden Generationen irgendetwas mitzuteilen haben, dann das: Ich war hier. Mich hat es gegeben. Ich war jung. Ich war glücklich."
Das menschliche Ersatzteillager
Doch das Glück hält in diesem Fall nicht lang, denn die eine Tochter, Kate (Sofia Vassilieva), ist schwer erkrankt und ihre jüngere Schwester Anna (Abigail Breslin) erkennt, dass sie womöglich bewusst gezeugt wurde, um Kate als genetisch-identische Organspenderin zur Verfügung zu stehen.Unmoralisch? Gesetzeswidrig? Darüber wird die Familie erst am Essenstisch und schließlich vor Gericht streiten. Gut 100 Minuten lang wird man die Gelegenheit bekommen, über diesen Sachverhalt nachzudenken, über Leben, Tod und Familienwerte.
Manche Bilder sind für diese Geschichte wirklich ein bisschen zu schön komponiert, dagegen ist der Film bei der Darstellung von Ehestreitigkeiten zwischen Cameron Diaz und Jason Patric oder dem Verlust von Körperfunktionen und dem Austreten von Körperflüssigkeiten so schonungslos - zumindest im Rahmen einer Hollywood-Produktion - dass der Realismus offensichtlich zu einer FSK ab 12 Freigabe führte.
Cameron Diaz gegen Alec Baldwin
Beim Leben meiner Schwester wirkt zunächst wegen der prominenten Besetzung etwas sperrig, erzeugt aber bald und sehr gekonnt eine familiäre Atmosphäre, die zu echter Anteilnahme führt. Der Film stellt eine Frage, eine Entscheidung, der wir alle uns hoffentlich niemals stellen müssen. Er macht Angst vor der Vergänglichkeit und gleichzeitig Lust auf Leben. Wenn das keine Erkenntnis nach einem Spielfilm ist. Gute Schauspieler, eine gute Inszenierung, ein guter Film.
P.S.: Das Schicksal einer Familie nach der einschneidenden Diagnose bei der Mutter wurde in Familiensache (1998) mit Meryl Streep und William Hurt erzählt, noch ein wenig unbequemer, schonungsloser, wie wir finden.
Einen ganz anderer dramatischer Aspekt thematisiert Michael MooresSicko (2007): das amerikanische Gesundheitssystem, das bei den genannten Filmen jedoch völlig außen vor gelassen wird.
Einen ganz anderer dramatischer Aspekt thematisiert Michael MooresSicko (2007): das amerikanische Gesundheitssystem, das bei den genannten Filmen jedoch völlig außen vor gelassen wird.