Nachruf auf einen Unsichtbaren - Ist er nicht wunderbar?
Nachruf auf einen Unsichtbaren - Ist er nicht wunderbar? - Vor einem Jahr verstarb ein Filmemacher, der ein Herz für die Nöte von Heranwachsenden zeigte. Legendär sind nicht nur 'Ferris macht blau' und 'Breakfast Club'
Dieser Nachruf ist ein persönliches Anliegen unserer Redaktion. Aufmerksamkeit möchten wir noch einmal auf den Mann lenken, der so viele großartige 80er-Jahre-Komödien erschuf und selbst meist im Hintergrund blieb. Von dem man so gut wie nie ein Foto zu Gesicht bekam. Heute nicht, denn jetzt soll er im Rampenlicht unseres Starportraits stehen. Dabei hätte er sich gegen die Bezeichnung "Star" sicherlich gewehrt, auch über allzu theatralische Worte zu seinem Tod vor fast genau einem Jahr. Doch es ist eine Tragödie, dass John Hughes am Donnerstag den 6. August 2009 im "Big Apple" in Manhattan überraschend an Herzversagen starb.
"Action!"
Ein Herz für die Nöte von Heranwachsenden, das bewies Regisseur und Autor John Wilden Hughes Jr. - wie er nach seinem Vater, einem Produzenten, vollständig benannt wurde - in den vergangenen Filmjahrzehnten wie kaum ein anderer. Bescheidenheit war seine Stärke, Berichte über seine Person oder gar Fototermine gab es selten. Hughes spielte seinen Einstieg ins Filmgeschäft gerne herunter, er wäre eher hineingestolpert, statt sich aufzudrängen, sei ohne klassische Vorbildung eingestiegen und hätte bei seinen ersten zwei Filmen schon "Action!" gerufen, bevor die Kameras überhaupt losgelaufen waren. (Hughes: "I stumbled into this business, I didn't train for it. I yelled 'Action!' on my first two movies before the camera was turned on.") Denn eigentlich war er zuvor hauptberuflich in der schreibenden Zunft tätig, füllte die Seiten des National Lampoon Magazine.
Das darf man nur als Erwachsener
Dieses etwas unbeholfen-sympathische Bild, das er von sich abgab, haftete auch seinen zahlreichen erinnerungswürdigen Filmfiguren an. Eine seiner ersten Darstellerinnen war die rothaarige Molly Ringwald im Jahr 1984. Sixteen Candles war das Regie-Erstlingswerk, das in Deutschland den Untertitel Das darf man nur als Erwachsener erhielt. Hughes erzählt von einer typischen High-School-Teenagerin, die sich auf der Suche nach der eigenen Identität um Anerkennung in der Familie, in der Schule, im Leben bemüht. Gleich im Folgejahr wurde Ringwald erneut von Hughes besetzt und diesmal sollte die Popularität des New Yorker Regisseurs und der kalifornischen Schauspielerin in den USA sprunghaft ansteigen.
Breakfast Club hieß der Film, der zusammen mit seinem Song "Don't You (Forget About Me)" von den Simple Minds Mitte der 80er bleibende Spuren im Gedächtnis derjenigen hinterlassen hat, die in dieser Zeit groß geworden sind. Dazu traf die Komödie das Teenager-Lebensgefühl der damaligen (und heutigen?) Zeit und machte die Darsteller der buntgemischten Schülertruppe, die dort zur Strafe nachsitzen und den Samstag herumkriegen muss, zu Stars, von denen Ihnen bestimmt immer noch der ein oder andere bekannt vorkommt: Ally Sheedy, Paul Gleason, Anthony Michael Hall, Judd Nelson und Emilio Estevez.
Willkommen im Club... im Breakfast Club
Die Hausaufgabe, die von den Nachsitzern geschrieben werden muss, hört sich im Breakfast Club (1985) so an, als habe John Hughes mit seinem Drehbuch ein Manifest für eine ganze Generation geschrieben: "Wir akzeptieren, dass wir einen ganzen Samstag für alles, was wir falsch gemacht haben, nachsitzen mussten. Aber wir halten Sie für verrückt, dass Sie uns einen Aufsatz schreiben ließen mit dem Thema 'Wer bin ich?'. Weil Sie uns doch so sehen, wie Sie uns sehen wollen! Mit einfachen Worten nun das, was wir über uns herausgefunden haben: Jeder von uns ist ein Schlaukopf, ein Muskelprotz, eine Ausgeflippte, eine Prinzessin und ein Freak. Beantwortet das Ihre Frage?"
Ferris und LISA - Der helle Wahnsinn
Mit L.I.S.A. - Der helle Wahnsinn schuf Hughes einen weiteren unverwechselbaren Vertreter der achtziger Jahre, die früher all die Kinobesuche mit Schulkameraden zu einem echten Erlebnis machten. Ganz zu schweigen von Ferris Bueller (Matthew Broderick), der 1988 in Ferris macht blau (Kinostart Deutschland: Dezember 1988) zu einem der gefeiertsten Leinwandhelden wurde... nun ja, zumindest damals auf dem Schulhof.
Begeisterung in allen Altersklassen löste zu etwa der gleichen Zeit die Roadmovie-Komödie Ein Ticket für zwei (1987, deutscher Kinostart: April 1988) aus, in der Steve Martin und John Candy unfreiwillig eine turbulente Reise antreten, bei der am Ende auch ernste Töne angeschlagen werden.
Die internationale Filmdatenbank IMDb führt unter den offiziellen Auszeichnungen von John Hughes genau einen Eintrag. Einsam steht der "Producer of the Year" Award bei der ShoWest Convention 1991 nun unten auf dieser Seite. Sind Filmpreise nun als Orientierungshilfen bei der Suche nach Spielfilmen geeignet, die eine Generation prägte, oder nicht? John Hughes tritt den Gegenbeweis an. Denn was ihn fernab von roten Teppichen über seine gesamte Karriere hinweg auszeichnete, ist das Talent, in all seinen Filmen zwar überzogene Situationen und unzählige Lacher zu provozieren, niemals jedoch das Mitgefühl für seine Figuren zu verlieren.
Seit der Regiearbeit Curly Sue (1991, u.a. mit James Belushi und Alisan Porter als Curly Sue) hat John Hughes keinen Film mehr selbst inszeniert. Da half auch das Bitten von Independent-Kultregisseur Kevin Smith wenig, der Hughes neben einer Danksagung in Mallrats (1995) ausdrücklich im Abspann zu seinem Erstlingsspielfilm Clerks - Die Ladenhüter (1994) für all die erfüllten Samstagnachmittage vor dem Fernseher dankte und ihn aufforderte, doch endlich wieder im Regiestuhl Platz zu nehmen. Vor einem Jahr, im August 2009 starb mit Hughes auch diese Hoffnung.
An das filmische Erbe des Regisseurs soll hier noch einmal erinnert werden. An sein Gesamtwerk, das er vor allem als Produzent und Autor mit noch mehr Klassikern füllte. Zum Abschluss finden Sie im Folgenden nicht nur die Regiearbeiten, die in unserem Verleihprogramm auf DVD bereitstehen, sondern auch seine Drehbucharbeiten, die wiederspiegeln, in wieviele Familienfilme der 80er und 90er Jahre seine Ideen tatsächlich einflossen.
"Written by John Hughes", so lautete es bei den unvergesslichen Abenteuern der Familie Griswold (siehe rechts), die hierzulande als Die schrillen Vier auf Achse (1983) bekannt wurden und durch Schöne Bescherung (1989) einen amüsanten "alle Jahre wieder" Klassiker lieferten. Außerdem - nicht zu vergessen - erdachte Hughes zeitlose Adoleszenz-Liebesgeschichten wie Pretty in Pink (1986) und Ist sie nicht wunderbar? (1987).