Bewertung und Kritik von
Filmfan "Dematida" am 05.07.2005Der Pate 2
Der zweite Teil von Coppolas Saga über die Geschichte der Familie Corleone ist mit Verlaub das beste Sequel eines Films, das ich je zu Gesicht bekommen habe. Es fällt schwer zu sagen, welcher der beiden Teile besser als der andere ist. Aber das ist auch gar nicht nötig. Drei Stunden und zwanzig Minuten sind für einen (Kino-)Film „eigentlich“ eine Zumutung. Bei „Der Pate: Teil II“ empfand ich es jedenfalls nicht so, im Gegenteil, vor allem als eine enorme Bereicherung, was Inszenierung, Charaktere, Bilder und Geschichte angeht. Coppola wagte mit diesem Sequel einiges. Er erzählt – parallel – die Jugend des Paten, gespielt von Robert de Niro, und daneben den Aufstieg seines Sohnes Michael (Al Pacino) ab 1958, seine Bemühungen um eine Erweiterung der Macht der Corleones in Las Vegas und in Kuba kurz vor Ausbruch der Revolution Castros. Diese parallele Erzählung ist ein schwieriges Unterfangen. Coppola arbeitet hier nicht etwa mit Rückblenden, sondern erzählt die Geschichte zweier Männer, Vater und Sohn, ihren Aufstieg zu mächtigen Mafia-Bossen, als zwei eigenständige Handlungen. Die Tatsache, dass dies gelungen ist, eröffnet die Perspektive des Vergleichs der beiden Biografien bis in Details. Das macht u.a. die Größe dieses Films aus.
Al Pacino spielt in einer seiner besten Rollen Michael Corleone als einen Mann, der zwischen der Liebe zu seiner Familie, seiner Frau, seinen Kindern, seinen Geschwistern und dem, was er von seinem Vater gelernt hat und was ihm die Geschichte seiner Familie gelehrt hat, einen Weg sucht, der ihn in die Einsamkeit führt. Die Schlussszene des Films gehört wohl zu den besten der Filmgeschichte. Wir sehen Michael Corleone, einem ruchlosen, seelenlosen, machtkranken, einsamen Gangster, in die Augen; er ist ruhig und schaut in sich hinein, nach dem letzten Mord, den er befohlen hat. Den größten Teil der Familie, die er liebte, hat er zerstört, zum Teil ermordet. In Pacinos Augen sehen wir, ohne dass ein Wort fällt, die ganze Tragödie des Lebens eines Mannes, für den Kontrolle und Macht, Intrige und Mord die einzigen Mittel waren, seine Familie zusammenzuhalten und mit denen er genau das Gegenteil erreichte. Michael Corleone ist vereinsamt auf dem Höhepunkt seiner Macht. Langsam nähert sich die Kamera Al Pacinos Gesicht. Abspann.
Nicht nur in dieser Schlussszene erweist sich Coppolas Meisterwerk als eine Tragödie, die weit über die Geschichte einer Mafia-Familie hinausführt. Coppola nennt die Bedingungen, die das Leben eines Kindes in seiner familiären und sozialen Umgebung prägen, die Schlüsse, die es daraus für sein Leben zieht, die Umstände und Konflikte, in denen sich erweist, ob diese Schlüsse sein eigenes Leben bestimmen sollen, die Möglichkeiten und Alternativen, die sich anbieten, aber oft so schwer zu ergreifen sind, die Umstände, in denen man Schuld auf sich lädt. Die Vielfalt der Beziehungen und die für einen Film unglaubliche Anzahl von Personen, die in einem komplexen und komplizierten Netzwerk miteinander und gegeneinander agieren, fügen sich zu einem Gesamtbild, das trotzdem für den Betrachter völlig durchschaubar bleibt. Noch lange wird man sich an einzelne Personen erinnern können, ihre Namen kennen, ihre Gesichter vor Augen haben – eine Leistung, die Coppola in – nimmt man alle drei Filme zusammen – fast neun Stunden überzeugend und faszinierend inszeniert. Dazu trug natürlich auch die Besetzung bei. Neben Al Pacino sind hier vor allem Robert de Niro, Robert Duvall Diane Keaton, John Cazale und Talia Shire zu nennen, aber auch Lee Strasberg als Hyman Roth und Michael v. Gazzo als Pentangeli.
„Der Pate“, insbesondere dieser zweite Teil der Saga, ist einer jener Filme aus Hollywood, in denen eine glaubhafte Nähe zu den Figuren aufgebaut wird, in denen das Betrügerische, Falsche vieler Produktionen aus der Filmstadt gänzlich vermieden wurde. Gerade die Identifikation mit einer Person wie Michael Corleone ist von einer Ambivalenz geprägt, fernab eines trivialen Gut-Böse-Schemas, die den ganzen Reigen von Gefühlen gegenüber einer Film-Figur einschließt, Wut, Hass, Liebe, Verständnis wie Unverständnis, Hoffnung wie Enttäuschung, Mitgefühl wie Ablehnung. „Der Pate“ ist ein zeitloser Bildbogen, ein Werk, das ich nicht vergessen werde, das im Gedächtnis haftet und im Herzen einen Platz gefunden hat. Der zweite Teil der Geschichte ist eines der wenigen Sequels, die die Qualität des ersten Teils noch einmal erhöhen konnte. Von welchem Sequel kann man das schon sagen? Ein Meisterwerk, das für mich ganz oben auf der „Bestsellerliste“ steht.
ungeprüfte Kritik