Hochspannung am Roten Teppich der Berlinale: Regisseur und
Oscar-Preisträger
Steven Soderbergh präsentierte in der Hauptstadt sein action-geladenes neues Werk
Haywire (USA 2011) im
Berlinale Palast. Zur Deutschlandpremiere empfing Festivaldirektor Dieter Kosslick neben dem Regisseur auch die Hauptdarstellerin und Kampfikone
Gina Carano sowie die Darsteller
Antonio Banderas,
Michael Fassbender und
Natascha Berg, die für glamouröse Eleganz auf dem Roten Teppich und für geballte Action auf der Kinoleinwand sorgten.
Die Premierengäste zeigten sich von
Haywire, der als Sondervorführung im Rahmen des Wettbewerbs lief, begeistert und würdigten die schlagkräftige Performance von
Gina Carano und ihren männlichen Schauspielkollegen mit stürmischem Applaus. Was das geladene Publikum und ab dem
8. März 2012 auch bundesweit die Kinogänger auf der Leinwand erleben: Die attraktive Mallory Kane (
Gina Carano) hat einen gefährlichen Beruf. Als Geheimagentin leitet sie rund um die Welt an der Grenze zur Legalität verdeckte Einsätze für Regierungen, die bereit sind, den nötigen Preis zu zahlen. Was geschieht jedoch, wenn eine Mission plötzlich aus dem Ruder gerät? Verraten von ihren eigenen Auftraggebern, wird sie plötzlich selbst zur Gejagten und muss im Fadenkreuz einer knallharten internationalen Fahndung um ihr Leben kämpfen. Für Mallory gibt es kein Zurück: Systematisch und gnadenlos übt sie Rache an all jenen, die sie hinterhältig und eiskalt ans Messer liefern wollten...
Mit seinem Actionthriller
Haywire nimmt sich Regisseur
Steven Soderbergh einmal mehr ein beliebtes Filmgenre vor und fügt ihm Elemente hinzu, die die Erwartungen des Zuschauers ganz subtil auf den Kopf stellen. Indem er Ränkespiele und Spannung, komplexe Figuren und glamouröse internationale Kulissen mit knochenharter Action, den ganz realen Special-Ops-Techniken und einer charismatischen Heldin verbindet, gelingt es dem Filmemacher, den Spionagethriller zu völlig neuem Leben zu erwecken. "Ich bin ein großer Fan der frühen
James-Bond-Filme", erklärt
Soderbergh. 'From Russia with Love' [
James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau, Großbritannien/USA 1963] ist vermutlich mein Favorit. In diesen Filmen erfährt man, wer diese Menschen sind – und nicht nur, was sie tun. In den meisten jüngeren Spionagefilmen hält man sich nicht mehr mit der Entwicklung der Nebenfiguren auf. Ich wollte aber so etwas machen wie die frühen
Bond-Filme. Ihr Verhältnis von Handlung zu Action ist ungefähr identisch mit unserem Film."
Soderberghs langjähriger Wegbegleiter, Produzent
Gregory Jacobs, wusste, dass der Regisseur schon seit längerem Lust darauf hatte, sich an diesem Genre zu versuchen. "Die Idee fand er sehr attraktiv", sagt
Jacobs. Er hatte immer schon einen puren Actionfilm machen wollen. Wir hatten uns schon eine Weile den Kopf darüber zerbrochen, als wir Kontakt zu Lem Dobbs aufnahmen, der in der Vergangenheit schon zwei Filme für uns geschrieben hatte –
The Limey (USA 1999) und
Kafka (USA/Frankreich 1991)." Daraus resultierte ein Drehbuch, das weniger ein Tribut an frühere Filme war, sondern vielmehr eine komplette Überarbeitung mit einem ungewöhnlichen Dreh, wie man das von
Soderbergh kennt. "Ich hatte mir eigentlich immer schon die Frage gestellt, warum die Hauptfigur in diesen Filmen notwendigerweise immer ein Kerl ist", überlegt er. "Ich finde, dass man Dramatik und Konflikte noch einmal verschärft, wann immer man mit einer weiblichen Hauptfigur hantiert. Es gibt dann immer noch die zusätzliche Ebene, dass die weibliche Figur in einer Welt, die von Männern bestimmt wird, operieren muss. Es ist eine weitere Mauer, die es zu überwinden gilt. In unserer Geschichte geht es also nicht nur um Spionage und verdeckte Operationen. Es geht auch um die Beziehungen unserer weiblichen Hauptfigur mit diversen männlichen Figuren und wie sie sich in einer Männerdomäne behauptet."
Steven Soderbergh betont aber auch, dass das Drehbuch keine übermäßig feministische Perspektive einnimmt: "Es ist eigentlich nie ein Thema, dass Mallory Kane eine Frau ist. Es ist einfach eine Tatsache, und die Leute ziehen Schlussfolgerungen, die sich als vollkommen unrichtig erweisen." Der Regisseur beschreibt
Haywire gern als einen
Pam Grier Film, wie
Alfred Hitchcock ihn gemacht hätte. Die Figurenentwicklung war ihm besonders wichtig, während er mit Dobbs an der Ausarbeitung der Figur der Mallory Kane arbeitete, eine völlig verdeckt arbeitende Spezialistin in den Diensten eines privaten Sicherheitsdiensts. "Ich wollte der Figur ein paar zusätzliche Schichten geben", sagt er. "Es gibt da beispielsweise eine Szene, in der sie den Inhalt aus dem Telefon ihres Partners saugt, als er sich gerade nicht im Raum befindet. Zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen erkennbaren Grund dafür. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, hat nichts gemacht, was ihn verdächtig machen könnte, aber ich hatte den Eindruck, dass das etwas wäre, was sie auf jeden Fall machen würde."
Er fährt fort: "Sie fühlt sich schlecht deshalb, schuldig. Ich denke, einer der Gründe, warum man sich
Hitchcocks Filme auch heute noch ansehen kann, liegt nicht nur an deren technischer Virtuosität, sondern auch daran, dass es in ihrem Kern immer um Schuld geht. Im Mittelpunkt seiner Filme gibt es immer jemanden, der etwas getan hat, das nicht ans Tageslicht kommen soll. Ich wollte Elemente davon auch in meinem Film haben. Mallory Kane sollte keine Figur sein, die kein Wässerchen trüben kann. Schließlich stellt sich heraus, dass ihre unprovozierte Vorsichtsmaßnahme ihr das Leben rettet. Aber in dem Moment, in dem sie es macht, fragt man sich: Warum?"
Soderbergh fand seine Muse für diesen Film an einem überraschenden Ort. Er hatte Kämpfe der Mixed-Martial-Arts-Meisterin
Gina Carano gesehen und begeisterte sich immer mehr für die Vorstellung, sie in einem Film zu besetzen. Mixed Martial Arts umfasst eine spektakuläre und anspruchsvolle Kombination aus verschiedenen Kampfstilen wie Muay Thai, Karate, Jiu-Jitsu, Judo, Wrestling, Boxen, Sambo, Kickboxen und Kung-Fu – also genau jene Art von Fertigkeit im Nahkampf, die sich der Filmemacher für die Hauptfigur von
Haywire vorgestellt hatte. "Ich wusste, dass es noch eine andere Frau außer
Angelina Jolie geben musste, der man es abnehmen würde, wenn sie mit einer Knarre in der Hand herumläuft", sagt er. "Nachdem ich ein paar von
Ginas Kämpfen gesehen hatte, schaute ich mir Interviews mit ihr an, in denen sie sich als absolut wahrhaftige, bodenständige Person erwies. Ich begann zu überlegen, dass ich womöglich mein Bedürfnis, einen realistischen Spionagefilm zu machen, mit ihrer Expertise verbinden könnte. Aber zuerst musste ich sie kennenlernen und herausfinden, ob sie Interesse an so etwas hätte oder nicht."
Nach einem ersten Treffen begannen die Filmemacher, die Rolle der Mallory Kane für
Carano maßzuschneidern. "Wir wussten, dass sie in der Lage sein würde, fast alle ihre Stunts selbst zu absolvieren", erzählt
Gregory Jacobs. "Das war entscheidend.
Steven bestand darauf, so weit wie möglich auf Stuntarbeit mit Drähten zu verzichten. Er wollte einfach nicht, dass das Publikum den Eindruck gewinnen sollte, die Actionelemente seien so akrobatisch oder gefährlich, dass kein normaler Mensch sie womöglich ohne Hilfe überleben würde. Die wunderbare Sache am Dreh mit
Gina war, dass in den Kämpfen überhaupt keine Special-Effects zum Einsatz kommen mussten. Alles war echt." Das war ein alles entscheidender Aspekt von
Soderberghs Vision eines Films als realistisches Abenteuer, was auch bedeutete, dass er auf all jene futuristische Technologie verzichtete, die bei vielen Filmen dieses Genres längst zum Standard geworden sind. "In gewisser Weise wollten wir unbedingt gegen den Strom schwimmen und Action filmen, wie sie eigentlich nicht gefilmt wird", erklärt er. "Ich wollte wirklich Nutzen daraus ziehen, ausschließlich mit Leuten zu arbeiten, die die Action selbst absolvieren konnten, und sich nicht auf all die Tricks zu verlassen, die manchmal bei solchen Filmen eine Notwendigkeit sind. Ich wollte niemanden etwas machen lassen, was physikalisch unmöglich ist. Und ich wollte mich nicht auf Technologie stützen, die nicht wirklich existiert."
"Wenn man zwei Menschen in einem Raum kämpfen lässt, muss der Kampf irgendwann zu Ende gehen, weil man ab einem gewissen Zeitpunkt nichts mehr zeigen kann, was plausibel ist", meint der Regisseur. "Das war mein Ansatz für diese Art von Film.
Haywire ist eher ein Drama mit Action als ein Nonstop-Actionfilm." Wenn man eine so ungewöhnliche Heldin wie Mallory Kane zu Leben erwecken will, bedarf es einer ungewöhnlichen und einzigartig talentierten Schauspielerin – dessen war sich
Steven Soderbergh bewusst.
Gina Carano, die manchmal auch das 'Gesicht der Mixed Martial Arts für Frauen' genannt wird, ist bildschön, entschlossen und knallhart. Zu ihrem ersten Treffen mit
Soderbergh erschien sie mit einem blauen Auge, das ihr bei einem Kampf in der Woche davor verpasst worden war. Obwohl
Carano, die
Soderberghs Regiearbeiten
Traffic - Macht des Kartells (USA/Deutschland 2000) und
Erin Brockovich (USA 2000) zu ihren absoluten Lieblingsfilmen zählt, keinem Kampf aus dem Weg geht, fühlte sie sich von dem Treffen mit dem Regisseur doch eindeutig überfordert, erinnert sie sich.
Die Hauptrolle in einem Film zu übernehmen, gehörte nicht unbedingt zu den Dingen, die sich auf
Caranos Agenda befanden. "Jedes Kind denkt, wenn die Menschen nur wüssten, wozu ich in der Lage bin", meint sie. "Aber mir war immer schon klar, dass ich keine gewöhnliche Prominente bin. Ich finde nicht, dass ich so aussehe oder mich benehme wie irgendjemand sonst. Ich bin ein bisschen unbeholfen. Mir war also immer klar, dass jemand kommen und mich finden müsste, wenn das wirklich passieren sollte. Und genauso war es schließlich auch."
Soderbergh tat sein Möglichstes, um die Schauspielnovizin zu beruhigen. "Ich kann mir vorstellen, wie merkwürdig es für einen Schauspiellaien sein muss, sich mit einem Regisseur zu treffen, der ihm dann erzählt, dass er einen Film um ihn herum aufbauen will", erklärt er. "Aber sie war gleich mit von der Partie. Ich erklärte ihr, dass wir den Film so organisieren würden, dass sie ihre Stärken ausspielen könnte, sowohl körperlich, aber auch als Darstellerin. Ich wollte nichts von ihr verlangen, was unerreichbar gewesen wäre." Nach Abschluss des Drehs war
Carano voller Ehrfurcht, wie viel harte Arbeit in die Herstellung eines Films gesteckt wird. Obwohl sie als professionelle Kämpferin mit allen Wassern gewaschen ist, fühlte sie sich nach dieser neuen Erfahrung wie ausgewrungen. "Ich habe noch nie so viele Stunden an einem Tag gearbeitet", erzählt sie. "Man muss nicht immer nur körperlich präsent sein, sondern auch emotional. Man ist ohne Unterlass von anderen Menschen umgeben; nicht einmal der eigene Körper gehört einem mehr. Man bekommt die Haare gemacht und Make-up aufgetragen, andere Leute suchen aus, was man anzieht, aber ich hatte dennoch immer den Eindruck, dass wir dieses Abenteuer gemeinsam bestehen würden." Was ihr einen beträchtlichen Selbstbewusstseinsschub gab, war die hohe Qualität des übrigen Casts und des Stabs. "
Steven umgab mich von Anfang bis Ende ausschließlich mit den besten Leuten", sagt sie. "Er ging jeden einzelnen Schritt minutiös mit mir durch. Es war eine der großen Gelegenheiten meines Lebens."
In der Hauptrolle Kampfsportikone und mehrfache Mixed-Martial-Arts-Weltmeisterin
Gina Carano, atemlose Hochspannung, mitreißende Nahkampf-Action und eine brillante Starbesetzung u. a. mit
Ewan McGregor,
Michael Fassbender,
Channing Tatum,
Michael Douglas und
Antonio Banderas - Regisseur
Steven Soderbergh kann es selbst immer noch nicht so recht fassen, dass es ihm gelungen ist, eine derart hochkarätige Besetzung zu gewinnen. "Wir hatten großes Glück, lauter Leute zu bekommen, die ich immer schon bewundert habe", sagt er. "Sie waren alle fasziniert von dem Projekt, und sie waren fasziniert von
Gina. Sie ist völlig unprätentiös und sehr charmant. Ich hatte angenommen, dass sie massiv von diesen Schauspielern profitieren würde, und so war es auch. Alle waren unglaublich großzügig. Sie wollten, dass sie Erfolg hat, und das war eine große Hilfe." Ob sein Film
Haywire auch an den deutschen Kinokassen Erfolg hat, das werden die Kinocharts ab dem Kinostart am 8. März zeigen. Wir zeigen Ihnen jetzt eine Zusammenstellung von
Steven Soderberghs filmischem Schaffen, von heute bis zurück ins Jahr 1989, als er für sein Regiedebüt
Sex, Lügen und Video eine
Oscar-Nominierung in der Kategorie 'Original-Drehbuch' und sogar die
Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes gewann!